Das Leben als Akolythin

Rosetta Binotto studiert im vierten Semester Theologie an der Universität Luzern mit der Ausrichtung Spezial Curriculum. forumKirche gewährt sie Einblick in ihren Alltag als Studentin und Erwachsenenbildnerin.

« Ich empfand die Akolythatsfeier als sehr stimmig, feierlich und würdig », erzählt Rosetta Binotto. Akolythat ? « Ende November 2024 wurden wir zwölf Studieren­den des Spezial Curriculums im luzernischen Ettiswil von Weihbischof Josef Stübi mit dem Akolythat und Lektorat beauftragt. Das heisst : Wir sind nun im ganzen Bistum dazu befähigt, die Kom­munion zu spenden und Lesungen zu halten. Darauf wurden wir sogar mit Sprech- und Auftrittstraining durch eine Schau­spielerin vorbereitet. Im Gegensatz dazu sind die Lektorinnen und Lektoren sowie die Ministrierenden einer Pfarrei durch den örtlichen Priester befähigt », erläutert Binotto. 

Öffentliche Feier
« Normalerweise findet diese ­Beauftragungsfeier im Seminar St. Beat in Luzern statt. Aber diesmal wollte man an die Öffentlichkeit gehen. » Jeder Studentin, jedem Studenten sei an dieser Feier Hostienschale und Kelch in die Hände gegeben worden als Zeichen für die Beauftragung. Für Binotto ändert sich im Grunde genommen nichts, sie wird wie bisher Lektorendienste in ihrer Pfarrei übernehmen. 

Beauftragung von Frauen
Ein Akolyth hilft bei der Bereitung des Altars und beim Spenden der Kommunion. Heutzu­tage wird er in liturgischer Form beauftragt. Diese Beauftragung ist eine Voraussetzung für die Weihe als Diakon und Priester. Wie kommt es dazu, dass Frauen diese Beauftragung erhalten ? Papst Franziskus hat am 10. Januar 2021 im Motu proprio « Spiritus Domini » – einem persönlichen päpstlichen Schreiben mit dem Titel « Spiritus Domini » (Der Geist des Herrn) – einen Abschnitt geändert, sodass der liturgische Laiendienst neuerdings beiden Geschlechtern ermöglicht wird. Und zwar, indem er einfach das Wort « Männliche » weggelassen hat. Im Bistum Basel wird dieser Laiendienst bereits seit 40 Jahren auch von Frauen ausgeübt. Da hinkt das Kirchenrecht hinterher.

Einblick in eine Pfarrei
Das Spezial Curriculum des Bischöflichen Studienprogramms (BSP) des Bistums Basel ermöglicht Interessierten ein Studium unter Spezial­bedingungen (siehe Kasten). Zum Studienabschluss gibt es ein bischöfliches Diplom, das zusammen mit der anschliessenden zweijährigen Berufs­einführung zur Arbeit als Pfarreiseelsorgerin befähigt. Für Rosetta Binotto steht die Berufseinführung im Sommersemester 2026 an. Doch von Beginn des Studiums weg gibt es nicht nur den wissenschaftlichen, sondern auch den praktischen Teil. « Jeden Dienstag haben wir Studienbegleitung », erläutert Binotto. « Dort lernen wir die Fertigkeiten, um eine Liturgie zu gestalten. Wir gehen auf Pilgerreise, haben Besinnungstage, Exerzitien, Kurse zu Nähe und Distanz. Diese Veranstaltungen finden oft an Samstagen statt. Wir gewinnen Einblicke in das Leben einer Pfarrei. Beispielsweise, was es braucht für eine Kirchgemeinde, finanziell und von den Aufgaben her. Einmal im Semester besucht uns Bischof Felix Gmür. Das letzte Mal kam er frisch von Rom und erzählte ganz begeistert von der Weltsynode. » 

Übernachtung bei den Eltern
Wenn die Studentin aus Schaffhausen am Dienstag in Luzern weilt, wird es aufgrund der Studienbegleitung spät, denn nach dem Gottesdienst und dem gemeinsamen Nachtessen gibt es weitere Impulse. Deshalb übernachtet sie regel­mässig bei ihren Eltern in der Zentral­schweiz. « Ich bin etwa um 21.30 Uhr bei ihnen und kann dann noch ein wenig mit ihnen reden. Am nächsten Morgen muss ich um sieben Uhr wieder gehen. Das letzte Mal hielten wir in der Studienbegleitung eine Vesper in der Hofkirche ab statt in der Mariahilfkirche. Wir sangen zusammen mit den Chorstiften. Das war sehr schön. Danach gab es ein gemeinsames Nacht­essen. Der Propst erzählte, wie man Chor­stift wird und wie man als solcher lebt. Es war sehr bereichernd », sagt Rosetta Binotto. 

Spirituelle Nahrung wichtig
Neben der Studienbegleitung gibt es auch die spirituelle Begleitung. Diese findet einmal im Monat statt in Form eines Gesprächs unter vier Augen. Das findet Rosetta Binotto essenziell. Das Reflektieren über den Glauben auf wissen­schaftlichem Niveau behagt ihr zwar sehr, aber « auch der Glaube ist wichtig. Ich habe durchs Studium immer wieder Krisen. Wissen allein reicht nicht. » Zudem sei es ganz, ganz wichtig, sich selbst spirituell zu nähren, um den Anforderungen des Studiums und des später folgenden Berufslebens gerecht zu werden. « Der Katholizismus ist so breit. Ich mag deshalb den Ausspruch von Paulus : ‹ Einheit in der Vielfalt ›. Paulus ist entgegen seinem Image nicht frauenfeindlich, sondern er meint, dass jede und jeder aufgrund des eigenen Charismas Aufgaben übernehmen kann. Es braucht mehr Leute, die diese Energie von Paulus haben. Dieser ist unermüd­lich gereist und ist dann mit den von ihm gegründeten Gemeinden in Brief­kontakt geblieben, einerseits, um sie in ganz praktischen Problemen des Zusammen­lebens zu beraten, andererseits, um auch Seelsorge zu betreiben. Überhaupt hätte es für mehr Vielfalt Platz innerhalb der Kirche. Das sieht auch das Dreierteam der Leitung des Seminars St. Beat so – darunter eine Frau. Laien – Frauen, Familienväter – können einen Beitrag leisten, auch wenn sie nicht Priester werden können. Der Bischof ermuntert uns sehr, offen zu sein. »

Von der Volksfrömmigkeit zur Theologie
Rosetta Binotto ist Primarlehrerin und hat sich zur Erwachsenenbildnerin weiter­gebildet. Seit zehn Jahren unter­richtet sie Sprachen. Und hat drei Kinder grossgezogen, hat ein Enkelkind. Die Arbeit mit Erwachsenen sagt der 52-Jährigen sehr zu, weshalb sie trotz Studium am Donnerstag arbeitet : Am Morgen unterrichtet sie Frauen mit Migrations­hintergrund in der deutschen Sprache, am Nachmittag erteilt sie Italienisch an einer privaten Sprachschule. Wie kommt eine Frau nach der Erziehungsarbeit und mitten im geliebten Berufsleben stehend dazu, in Luzern ein Theologiestudium aufzunehmen ? « Der Glaube hat schon immer zu meinem Leben gehört », sagt Binotto. « Er ist tief in mir verwurzelt. Ich bin in der Zentralschweiz aufgewachsen. Als Kinder sind wir jeweils nach Italien in die Ferien gefahren, wo wir Pilgerreisen unter­nahmen und an Prozessionen teilnahmen. Ich bin mit dieser Art von Volksfrömmigkeit gross geworden – ganz selbst­verständlich. Nun wollte ich über den Glauben reflektieren. » Dann sprudelt es aus ihr heraus : « Es ist spannend, wie viele andere Wissenschaften mit der Theologie zusammen­hängen : Philosophie, Physik, Psychologie, Neurobiologie, Geschichte, Philologie. Wir haben in der Studienbegleitung schon mit Menschen zu tun gehabt, die deshalb mehrere Studien aufweisen können. Wenn man das Privileg hätte, lebenslänglich studieren zu können … » Rosetta Binotto ist übrigens nicht die einzige Studentin aus Schaffhausen, die in Luzern studiert. France Ossola studiert im Fern-Studium von zu Hause aus. Da sie kleine Kinder hat, ist das für sie die ideale Lösung. 

Lebenslanges Lernen
« Ein Leben ohne Lernen kann ich mir nicht vorstellen », erklärt Rosetta Binotto. « Ich habe auch meinen Kindern vermittelt, dass das Lernen nicht aufhört. Durch Lernen und neues Wissen kann man Änderungen herbeiführen. » Allerdings bezahlt die Studentin einen hohen Preis : « Ich bin in erster Linie fürs Studium da. Mein Mann hilft im Haushalt und meine Kinder unterstützen mich, aber vieles bleibt trotzdem liegen. Am meisten Mühe habe ich aber damit, dass ich meine sozialen Kontakte auf ein Minimum reduzieren muss. Ich kann neben dem Studium und der Arbeit einfach nicht mehr viel machen. Ich musste sogar den Kirchenchor pausieren, in dem ich schon seit 15 Jahren mitsinge. Aber dafür verspüre ich viel Befriedigung durch das Studium. » 

Béatrice Eigenmann, forumKirche, 9.4.25


Bischöfliches Studienprogramm (BSP)
Das BSP des Bistums Basel ist in erster Linie gedacht für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger in die Seelsorge, die vielleicht keine Matura gemacht haben. Voraussetzung für die Aufnahme ins BSP ist, neben einer Erstausbildung sowie der Verbunden­heit mit dem kirchlichen Leben, ein theo­logisches Grundstudium, sei es am Religionspädagogischen Institut (RPI) in Luzern oder am Theologisch-pastoralen Bildungsinstitut (TBI) in Zürich mit dem Studiengang Theologie und jeweiliger Berufserfahrung.

Das BSP ist für zwei Jahre vorgesehen mit 120 Kredit­punkten – etwas weniger, als es ein normales Bachelor-Studium in Theologie an der Universität Luzern beinhaltet. Es ist angelegt als Vollzeitstudium, kann aber auch in drei Jahren absolviert werden, wenn man daneben arbeitet. Dafür kann man die Vorlesungen im Flex‑Studium abends nachhören.
Je nachdem, welche Vorkenntnisse jemand mitbringt, können diese für die Aufnahme ins BSP angerechnet werden.

Aufnahmebedingungen ins BSP : ein Gespräch mit Vertretern der Regentie des Seminars St. Beat und ein mehrstufiges, externes Assessment durch dafür geschulte Psychologen. Danach entscheidet die Aufnahme­kommission, in der unter anderen Urs Elsener sitzt, der ehemalige Pfarrer und Leiter des Pastoralraums Schaffhausen-Reiat.

Vor dem Start in die zweijährige Berufs­einführung im Seelsorge­bereich entscheidet eine Qualifikations­kommis­sion über die Aufnahme. Es besteht künftig auch die Möglichkeit des dualen Wegs : drei Jahre Berufspraxis mit 50%-Anstellung in einer Pfarrei neben dem Studium.

Das BSP ist eine flexible Studienform, die den vielfältigen Erfahrungen und Vorkennt­nissen der Studierenden entgegenkommt.

Infos zum BSP

Rosetta Binotto mit Weihbischof Josef Stübi
Quelle: José Martinez
Rosetta Binotto erhält von Weihbischof Josef Stübi Kelch und Hostienschale als Zeichen der Beauftragung fürs Akolythat.

 

 

Studierenden des Bischöflichen Studienprogramms
Quelle: José Martinez
Die Studierenden des Bischöflichen Studienprogramms mit ihren Betreuenden an der Beauftragungsfeier in der Kirche Maria Himmelfahrt in Ettiswil